Studienarbeiten unter dem Einfluss der Pandemie
Ausgerechnet das letzte von drei Studienjahren musste der Kurs 18 der Logopädenschule unter schwierigen Bedingungen bewältigen: Die Corona-Pandemie beherrschte die Unterrichtssituation, beeinflusste die Therapien und schränkte Praktikumsmöglichkeiten ein. Umso größer war jetzt die Erleichterung der 16 jungen Frauen und eines männlichen Absolventen, mit der Vorstellung ihrer Studienarbeiten ein erstes Etappenziel erreicht zu haben.
Virtuell hatte monatelang der Unterricht stattgefunden, virtuell erfolgten jetzt auch die Präsentationen. Und gleich das erste Thema ließ einen unwillkürlich an die Pandemie denken: „Böse Miene zum guten Spiel – die Folgen einer eingeschränkten Mimik“ – eingeschränkte Mimik entsteht ja auch beim Tragen von Mund- und Nasenmasken. In diesem Fall ging es aber um Patienten mit neurologisch bedingten Sprechstörungen deren Mimik zum Beispiel durch eine Gesichtslähmung beeinträchtigt ist. Die Autorinnen der Arbeit listeten Folgen dieser Einschränkung im Alltag auf. So kam es bei den Patienten selbst und auch bei Kontaktpersonen häufig zu Fehlinterpretationen des gezeigten Gesichtsausdruckes. Daraus sich ergebende Missverständnisse könnten zu sozialem Rückzug oder gar Depressionen führen. Deshalb das Fazit der Schülerinnen: Ein Intentions- oder Situationstraining in der Logopädie könnte Mimik und ihre Lesbarkeit verbessern.
Der Leiterin der Logopädenschule, Corinna Lutz, gefiel dieser Einstieg gut – knüpfte er doch einen Zusammenhang mit dem virtuellen Unterricht in Pandemiezeiten: „Genau so ist es – wenn ich mich an die Unterrichtsstunden ohne Gesichter und damit ohne mimisches Feedback auf dem Bildschirm erinnere – das war sehr schwer!“
. Corinna Lutz freute sich über die Kreativität der Autorinnen, die im Rahmen ihrer Arbeiten beeindruckende Anleitungen, Therapiekonzepte und Spiele entwickelt haben.
Ein Beratungskonzept für Angehörige von Aphasie-Patienten. Sprach- und Sprechstörungen, so die Autorinnen, behinderten häufig die Kommunikation zwischen Patienten und Angehörigen. Das entwickelte Beratungsmanual sei bei der Erprobung dankbar in Anspruch genommen worden und hat zu einer deutlich verbesserten Interaktion der Probanden beigetragen .
Ein Leitfaden für Logopädieschülerinnen zur mentalen Vorbereitung auf Elterngespräche soll junge Schülerinnen ohne Praxiserfahrung besser auf den Elternkontakt vorbereiten und ein sicheres Auftreten ermöglichen.
Zwei Autorinnen entwickelten ein Spiel mit „Präpositionen zum Anfassen“. Sie hatten herausgefunden, dass es zum kindlichen Verständnis von Präpositionen wie in, auf, unter hauptsächlich Bildmaterial gibt, aber keine dreidimensionalen Übungsbeispiele.
Praktisches Therapiematerial für den Klinikalltag namens „Dysfix“ entwickelten zwei Schülerinnen für sehbeeinträchtigte Patienten mit Dysarthrie, einer neurologisch bedingten Sprechstörung, bei der die Bildung von Lauten erschwert ist. Sie legten dabei Wert auf besondere Übersichtlichkeit, klare und große Schrift.
„Singen statt Sprechen“ war das Motto einer Therapie bei Rhinophonolalie (nasaler Stimmklang bei Pateinten mit z.B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten). Herkömmliche Methoden brachten bei der Testperson kaum einen Erfolg. Erst als die Laute, in Sätze gebettet („Gold, Gold, Gold, ich finde ganz viel Gold“), auf eine einfache Dreiklangmelodie gesungen wurden, verbesserte sich die Artikulation. Diese von den Autorinnen neu entwickelte Methode MuAR (Melodisch unterstützte Artikulationstherapie bei Rhinophonolalie) , so der Ausblick, könnte auch bei anderen Krankheitsbildern angewendet werden.
Mehr als nur ein bisschen „Ahnung von Anatomie“ vermittelten drei Schülerinnen in ihrem gemeinsamen Manuskript. Der Ausgangspunkt: Stimmtherapie entfaltet eine gute Wirkung nur bei aufrechter Haltung. Wie aber kann der Körper in eine gute Haltung gebracht werden? Das umfangreiche Informationsmaterial dazu wurde aufs Wesentliche konzentriert und mit einfachen Modellen und Abbildungen verdeutlicht.
Unter dem Titel „Kein Bass trotz Testosteron“ beschäftigt sich eine Studienarbeit mit einer wachsenden Personengruppe: Trans*männer, die mit Testosteron eine zum Wunschgeschlecht passende Stimme entwickeln. Begleitend zu dieser medikamentösen Therapie wäre jedoch eine logopädische Stimmtherapie sinnvoll, so das Autorenteam.
Der Eindruck nach mehr als zwei Stunden Präsentation: Acht Studienarbeiten, die nach ausgiebigen Recherchen und viel Kreativität große Chancen für praktische Umsetzungen in der Logopädie haben. Corinna Lutz lobte: „Das sind super Ideen, tolles Material! Was will man mehr.“ Und deshalb gab es jetzt trotz digitaler Veranstaltung ein gemeinsames Gläschen Sekt: Jeder vor seinem Bildschirm, alle zusammen!